Linie. Fläche. Raum.

 

In seiner künstlerischen Praxis beschäftigt sich Franz Riedl mit der Aneignung von Räumen. In seinen Fotoüberzeichnungen, Papierarbeiten, Objekten und Installationen setzt er sich mit deren strukturellen Merkmalen auseinander. Ausgangspunkt ist dabei stets die Linie, die eine Fläche teilt oder erweitert, einen Raum besetzt oder ein Linienkonstrukt präzise ins Dreidimensionale überführt. Riedl, der ursprünglich Bildhauerei studiert hat, modelliert den Raum, indem er dessen inhärente Regeln erst untersucht und diese anschließend in seinen Arbeiten zur Diskussion stellt. Begriffe von Identität und Realität, Repräsentation und Performanz finden in Riedls Arbeiten ebenso ihren Niederschlag wie die Untersuchung urbaner Orte im Hinblick auf soziale und gesellschaftliche Verhältnisse.

 

Ausgehend von den Regeln, die der (öffentliche) Raum seinen BenutzerInnen vorgibt, erarbeitet Riedl in der Installation Rahmen für einen Raum (2012) etwa eine raumkünstlerische Arbeit, die eine unmittelbare Korrespondenz zur Bildung von Territorium herstellt. Der Künstler unterteilte die beiden Räume des Ausstellungsortes durch ein Liniennetz, dessen Rasterung sich aus einer einzigen durchgängigen Wollschnur zusammensetzte. Um vom einen in den anderen Raum zu gelangen, mussten die Ausstellungsbesucher durch das Netz hindurchschlüpfen. Riedl präsentiert in dieser Arbeit nicht ein autonomes Objekt, sondern thematisiert vielmehr die Beziehung zum Ort, der Umgebung und den BenutzerInnen.

 

Die Abbildung urbaner Orte, der sozialen Raumbildung und der ihr inhärenten Gesetze liegt auch der Serie Tempelhüpfen (2012) zu Grunde. Bei den Motiven handelt es sich um found footage, zufällig entdeckte und abfotografierte Grundrisse des beliebten Kinderspiels. Die simpel auf den Straßenasphalt gezeichneten Markierungen bilden ein eigenes Regelwerk, nach dem gespielt wird, überschneiden sich aber gleichzeitig mit all den anderen Regeln, die im Stadtraum zu finden sind. In einem zweiten Schritt überführt Riedl die Grundrisse zeichnerisch ins Räumliche. So entstehen raumgreifende Skulpturen, die wiederum territoriale Gesetze formulieren. In dieser geschichteten Kombination heterogener Räume führt Franz Riedl unterschiedliche Regeln zusammen, die verschieden deutlich in ihrer Aussage sind. Ein Motiv wie etwa der Zaun, der in Riedls Werk immer wieder auftaucht, setzt in seiner inhaltlichen Aussage ein politisches Zeichen, indem nicht nur Raum definiert wird, sondern gleichzeitig klare Regeln statuiert werden.

 

Die Bezugnahme auf den Raum lässt sich in allen Werkgruppen Franz Riedls ablesen. In den Fotoarbeiten wird der Raum in einem Eingriff des Künstlers erweitert, indem ähnlich der Serie Tempelhüpfen bestimmte Details zeichnerisch fortgesetzt werden. Mit dem Schnitt ins Papier werden in der Serie Papierreliefs (2005-) räumliche Gegebenheiten an einem Ort fixiert. Dies dient wiederum der Visualisierung von Regeln und Gesetzen, die von Verkehrsregeln bis zu einfachen Spielregeln reichen.

 

 

Barbara Pflanzner, 2013